
28/07/2025 0 Kommentare
Auf diesen Stein kannst du bauen - Predigt zum sechsten Sonntag nach Trinitatis
Auf diesen Stein kannst du bauen - Predigt zum sechsten Sonntag nach Trinitatis
# Neuigkeiten aus dem Kirchgemeindebund

Auf diesen Stein kannst du bauen - Predigt zum sechsten Sonntag nach Trinitatis
„Auf diese Steine können Sie bauen – Schwäbisch Hall.“
Als ich ein Kind war, lief dieser Slogan im Fernsehen hoch und runter. Ich kann mich noch sehr gut an die Spots erinnern, in denen der Fuchs von Schwäbisch Hall einer Familie das Traumhaus versprochen hat, wenn man nur den passenden Bausparvertrag abschließt. Und naja – so ein Bausparvertrag kann ja auch eine schöne Absicherung sein. Aber natürlich ist er nicht der einzige Stein, auf den man beim Eigenheim bauen sollte.
"Auf diese Steine können Sie bauen" – oder vielleicht besser: "Auf diesen Stein können Sie bauen" – das könnte auch das Motto für den Predigttext für diesen Sonntag im 1. Petrusbrief sein:
1. Petrus 2,2–10 (hier klicken zum Lesen)
"Auf diesen Stein können Sie bauen – Jesus Christus." Vielleicht würde so die Werbung nach dem 1. Petrusbrief klingen. Jesus, der Eckstein, der den Laden „Kirche“ zusammenhält. Und wir, die lebendigen Steine, die das Gebäude wachsen lassen und mit Leben füllen. So in etwa hat es sich der Verfasser wahrscheinlich ausgemalt.
Das Bild von der Gemeinde als Bauwerk, das wächst – an dem gewerkelt wird – ist nichts Neues. Und es ist ja auch irgendwie ein passendes Bild. Baustellen gibt es immer – man muss nur an die Strukturreformen unserer Kirche denken. Schon im Alten Testament kommt das Bild vom Bau und vom „Eckstein“ vor.
In der antiken Baukunst war der Eckstein der wichtigste Stein im Gebäude. Es war nicht nur der Grundstein – der erste Stein, der gelegt wurde. Er war auch der Stein, an dem die Seiten des Gebäudes ausgerichtet wurden, damit es stabil stehen kann. Der Eckstein war Stabilitätsanker – aber auch Verbindungsstein. Er verbindet zwei Seiten eines Hauses.
Vielleicht ist es mit Jesus und der Kirche ja ein bisschen so wie mit einem JENGA-Turm. Kennt ihr JENGA? Als Kind – und sogar noch manchmal als Studi – habe ich das gerne gespielt. Ein Turm aus vielen Holzklötzern. Reihum nimmt jeder einen Stein heraus und baut ihn oben auf dem Turm wieder drauf. Der Turm wächst und wächst, so lange, bis einer den Holzklotz herauszieht, der den Turm zum Einsturz bringt.
Auch an der Kirche kann man vieles verändern – muss es auch hin und wieder. Kirche wächst, verändert sich. Nur einen Stein darf man nicht herausziehen: Jesus, den Eckstein, der den Laden zusammenhält.
Jesus ist die tragende und verbindende Komponente im Konstrukt Kirche. Das weiß auch der Autor des 1. Petrusbriefs – auch wenn er vermutlich noch kein JENGA kannte. Aber der Verfasser mahnt auch: Für manche wird der Eckstein zum Stolperstein. Ein Stein, der verbindet, ist schon damals für manche ein Stein des Anstoßes.
Der Eckstein, der das Gebäude in die Welt hin ausrichtet und sich für alle Menschen öffnet – wir haben es im Evangelium gehört: Geht hinaus in alle Welt – ist für manch einen zu viel.
Als die ersten Menschen aus dem Heidentum zur Gemeinde dazu kamen, gab es heftige Diskussionen. Viele aus dem jüdischen Umfeld von Jesus fanden das schwierig. Sie hatten ihr ganzes Leben lang nach den Regeln der Tora gelebt – nach den Speisevorschriften, den Reinheitsgeboten. Und jetzt sollten da plötzlich welche dazugehören, die Schwein essen, nicht beschnitten sind und die Gebote nicht kennen?
Das hat damals richtig geknallt in der jungen Kirche. Einige dachten: Jetzt stürzt der JENGA-Turm ein. Das sind zu viele neue Steine – zu viel Veränderung. Paulus musste sich rechtfertigen. Petrus wurde kritisiert. Und trotzdem haben sie gesagt: Ja! Diese Menschen gehören dazu. Weil Jesus sie ruft. Weil Jesus der Eckstein ist, der uns alle verbindet.
Und die Kirche hat es ausgehalten – sonst würden wir heute nicht zu ihr gehören. Der Eckstein hat das Gebäude gehalten. Und es ist bunter geworden und vielfältiger. Das Haus hat lebendige Steine gewonnen.
Es ist gerade ein Jahr her, da wurde auch in unserem Kirchenbezirk der Eckstein wieder einmal für einige zum Stein des Anstoßes. Der Grund war eine Fahne, die am Turm der Pirnaer Marienkirche wehte und hoch über der Stadt friedlich im Wind spielte. Ein buntes Stück Stoff mit den Farben des Regenbogens.
Eigentlich ein uraltes biblisches Symbol, das seit dem Erzvater Noah für Frieden und Toleranz steht. Auch heute steht die Regenbogenfahne für die bunte Vielfalt von Gottes Schöpfung – für Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, Identitäten und sexueller Orientierung, die in der Kirche Jesu einen Platz haben. So wie damals die Heidenchristen mit ihren individuellen Lebensentwürfen.
Und doch: Gottes Vielfalt ist nicht jedem willkommen – für manche ist sie gar eine Zumutung. Die Regenbogenfahne an der Marienkirche in Pirna wurde zum Politikum. Zur Schlagzeile in bundesdeutschen Medien.
Pirnas AfD-naher Oberbürgermeister hatte die Fahne zuvor vom Rathaus verbannt und sie danach mit der NS-Fahne verglichen. Aber nicht nur für Herrn Lochner ist der Eckstein zum Stolperstein geworden. Auch innerkirchlich gab es Kritik. Ein Stein, der verbindet. Eine Kirche, die auf alle Menschen zugeht – für manche ist das eine Zumutung zu viel.
Damals wie heute. Egal ob es um Heiden- und Judenchristen, LGBTQ oder Geflüchtete geht: Die Kirche Jesu ist eine inklusive Kirche. Eine Kirche, die sagt: „Geht hinaus in die Welt.“ Eine Kirche, die verbindet, weil Jesus ihr Eckstein ist. „Auf diesen Stein kannst du bauen“ – aber stoß dich nicht daran!
Jesus, der Eckstein, verbindet uns in unserer Verschiedenheit und hält uns zusammen. Diese Kirche ist in ihm verwurzelt. Und sie ist stabiler, als mancher denkt – weil sie Vielfalt nicht nur aushält, sondern sie sucht.
Denn dieses Haus ist aus lebendigen Steinen gebaut. Jeder davon ist anders. Und doch gehört jeder dazu.
Ein Haus mit offenen Türen. Ein Ort, an dem jede und jeder willkommen ist – und alle dazwischen und außerhalb. Zusammengehalten von Jesus, dem Eckstein – mit Liebe und offenen Herzen.
Und dieser Eckstein hält mehr aus, als du denkst. Auf ihn kannst du bauen.
Dieses Haus braucht keine Mauern. Nur viele bunte, lebendige Steine. Und du bist einer davon.
Du bist hier richtig. Genau so, wie du bist.
Amen.
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